Deutsche Redaktion

"Szmydt wie James Bond"

09.05.2024 11:13
Der Fall des nach Belarus geflüchteten Richters erhitzt die Gemüter der Politiker und Publizisten. Die Verantwortung für den Fall wird von den Parteien wie eine heiße Kartoffel an die politischen Gegner gereicht. 
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Rzeczpospolita: Szmydt wie James Bond 

Viele sehen die Verantwortung für die fehlende Enttarnung des mutmaßlichen Spions bei der Regierung PiS. In den Reihen der Partei will den Richter indes niemand gekannt haben. Wie ist das möglich, fragt in seiner Stellungnahme für die konservativ-liberale Rzeczpospolita der Publizist Artur Bartkiewicz. Wenn das wirklich wahr wäre, so der Autor, wäre James Bond im Vergleich zu Szmydt ein Amateur. Denn es stelle sich heraus, dass niemand den Richter gekannt habe, der der Chef der Rechtsabteilung des Büros des Nationalen Justizrats gewesen sei, ein Mitarbeiter des ehemaligen stellvertretenden Justizministers Łukasz Piebiak und vor allem die Person, die im Mittelpunkt des Hate-Skandals gestanden habe, bei dem Richter des Justizministeriums und des Nationalen Justizrats mit Verbindungen zum Lager der Vereinigten Rechten die Verunglimpfung von Richtern koordinierten, die PiS-Chef Jarosław Kaczyński und Justizminister Zbigniew Ziobra ein Dorn im Auge gewesen seien. In einem Lager, das sich vor allem den Kaderaustausch und die Besetzung von Schlüsselposten mit loyalen Leuten  zum Ziel gesetzt habe, sei Szmydt nicht nur verschont worden, sondern habe sich im Zentrum des Geschehens wiedergefunden. Und heute? Zbigniew Ziobro? "Ich kenne diesen Mann nicht". Der ehemalige stellvertretende Justizminister Michal Wojcik? "Ich kenne den Mann nicht". Jaroslaw Kaczynski? "Er ist ein Mann der gegenwärtigen Macht.” Wunder über Wunder, schreibt der Autor. Vielleicht hätten die Politiker der PiS ja einfach nur ein schlechtes Gedächtnis. Aber Scherze beiseite. Anstatt sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben, wäre es ratsam, in der schwierigen Situation gemeinsam nach Wegen zu suchen, um das nächste Mal schneller zu handeln, so Artur Bartkiewicz in der Rzeczpospolita. 

Gazeta Wyborcza: Blinde Dienste der PiS

Bartosz Wieliński von der linksliberalen Gazeta Wyborcza, kann es sich nicht verkneifen, auf der Titelseite der heutigen Ausgabe daran zu erinnern, dass die PiS zwar gerne ihre politischen Opponenten, aber auch Leute aus den eigenen Parteireihen, mit der Spionagesoftware Pegasus belauschte, Szmydt aber nicht enttarnt habe. Vielleicht, so Wieliński, auch deshalb, weil er ihr bei der Hass-Affäre im Justizministerium geholfen habe. Da habe man in Bezug auf seine Russlandsympathien einfach ein Auge zugedrückt. Man, so Wieliński, könnte den Fall Szmydt als den ultimativen Beweis für das Abdriften des PiS-Staates auf die Seite Russlands betrachten. Er, so Wieliński, möchte aber immer noch glauben, dass der Apparat, der Polens Sicherheit gewährleisten sollte, unter Jaroslaw Kaczynski einfach so sehr in die Bekämpfung von politischen Gegnern verwickelt gewesen ist, dass er die wirklichen Bedrohungen aus den Augen verloren hat. Ein ähnliches Szenario habe sich letztes Jahr in Israel abgespielt. Die Dienste seien gegen die Opposition vorgegangen und hätten die Vorbereitungen der Hamas für einen Großangriff verpasst, so Wieliński in der Gazeta Wyborcza. 

Gazeta Polska Codziennie: Die Reset-Leute wollen die Reset-Leute jagen

Die nationalkonservative Gazeta Polska Codziennie greift indes die Regierungskoalition unter Donald Tusk für ihren gestrigen Vorschlag an, den Ausschuss zur Untersuchung russischer Einflüsse in Polen zu reaktivieren. Wie das Blatt erinnert, habe sich unter anderem der heutige Sejmmarschall Szymon Hołownia strikt gegen die Einrichtung einer solchen Kommission durch die PiS ausgesprochen. “Es ist für mich unverständlich, dass das polnische Parlament einen Ausschuss eingesetzt hat, dessen Aufgabenbereich sich eigentlich mit dem der Geheimdienste deckt. Wenn es in jenen Jahren russische Einflüsse gab, die in dem Gesetz zur Einsetzung dieser Kommission erwähnt werden, wozu haben wir dann die Dienste? Wir hätten schon vor langer Zeit davon wissen müssen", habe Hołownia gesagt, als der Sejm die Entlassung der Mitglieder der Kommission zur Untersuchung russischer Einflüsse in Polen zwischen 2007 und 2022 vorbereitete. Politiker der künftigen Regierungskoalition hätten sich ihm angeschlossen und den Gesetzentwurf zur Einrichtung des Gremiums sogar als "Lex Tusk" bezeichnet.

Nun, so das Blatt, wolle die Regierung die Kommission infolge der Affäre mit Richter Szmydt nun doch erneut aktivieren. Er habe Minister Siemoniak gebeten, zusammen mit anderen Mitgliedern des Kollegiums der Spezialdienste eine Empfehlung zur Änderung und Verbesserung des ursprünglichen Gesetzes auszuarbeiten, damit die Kommission zur Untersuchung der russischen Einflussnahme so bald wie möglich wieder eingesetzt werden kann, habe Regierungschef Tusk nach der gestrigen Sitzung des Kollegiums für Spezialdienste zum Fall Szmydt erklärt. Die Angelegenheit, so der Politiker, sei dringend. 

Es sei daran erinnert, so die Zeitung, dass die Entlassung der Mitglieder des Ausschusses für russische Einflüsse eine der ersten Entscheidungen des neuen Sejm war. Eine der ersten Entscheidungen nach der Übernahme der öffentlichen Medien sei wiederum die Entfernung der Dokumentarserie "Reset" von den VOD-Plattformen gewesen, die die pro-russische Politik der ehemaligen PO-PSL-Regierung gezeigt habe. Viele der für die Annäherung an Moskau verantwortlichen Personen seien in den letzten Monaten in wichtige Positionen zurückgekehrt. Ein Beispiel dafür sei Oberst Krzysztof Dusza, einer der Architekten des Abkommens zwischen dem Militärischen Abschirmdienst (SKW) und dem russischen Föderalen Sicherheitsdienst von 2013, der nach dem Amtsantritt von Donald Tusk stellvertretender Leiter des SKW geworden sei, so Gazeta Polska Codziennie. 

Autor: Adam de Nisau